Charleroi 1.Juni 2014. Der letzte Hochofen ist offenbar erkaltet. Seit 1995 ist dies mein dritter Rundgang mit einer Kamera durch Areale der Montanindustrie von Charleroi. In der Zone der Industrieanlagen ist es jetzt, anders als noch 1995, völlig still. Und kein Rauch ist mehr zu sehen. Es ist das Ende der Roheisen -und Stahlproduktion. Das Ende der Zechen, bei einem großen Bergunfall 1956 waren hier 262 Männer tot, ist, wie im Saarländischen Völklingen-Luisenthal, da verloren 299 Männer bei einem schweren Unfall unter Tage im Jahr 1962 ihr Leben, schon vorausgegangen. Zugleich ist hier jetzt das Ende einer insgesamt äußerst harten Arbeitswelt gekommen, nicht ohne Folgen. Rundum zeigt sich Stillstand, bis in die Straßen der Stadt. Zerfall. An der Peripherie bieten Frauen ihre sexuellen Dienste an. Was ist? Was ist passiert? Zeit ist passiert, die Stadt ist ein ZeitOrt. Das Phänomen Zeit, Verfall aller Materie indiziert, erscheint durch Veränderungen im Kontext gesellschaftlichen Handelns, zeigt sich ganz besonders hier in den einstigen Industriezonen an diesem Ort. Sicher, Ende der Industriezeit. Zeit, und damit Veränderungen gehen weiter, wie auch immer.

Der Fotografie werden Wahrheiten abgesprochen, der Dokumentarfotografie, und damit gerade dem Ansatz der Fotografie, der ganz eigentlich eine distanzierte und objektive Darstellung "straight" ermöglicht. Die den dargestellten Gegenstand selbst referieren lässt, eben der Wahrheit des Faktischen Raum gebend. Nun, das gilt auch in digitalen Zeiten, es kommt, wie eh und je in der Fotografie auf den integren Fotografen, die integre Fotografin an, deren Intentionen Manipulationen eben ausschließen. Inszenierungen und Manipulationen legen z.B. dem Rezipienten ohne Vorkenntnisse glaubhaft nahe, es sei so gewesen, was einfach ohne Eingriff so aber nicht war. In diesem Kontext sei der Skandal um den World Press Photo Award erwähnt. Prämierte Fotografien (Fotojournalismus) der Serie "La Ville Noir - The Dark Heart of Europe" sollen Charleroi darstellen. Suggeriert nicht schon dieser Titel abwegiges, ja diabolisches? Wie später heraus kam sind einige Bilder der Serie Fakes, gestellte Fotografien. Das ist der Zeitgeist mit seinen Fiktionen, möglichst spektakulär, reisserisch muss es sein, locker und ohne Skrupel wird manipulierend jede Art Realismus verleugnet. Das ist es, was wirklichkeitsbeschreibende Fotografie desavouiert. Immerhin wurde dem Fotograf der Preis wieder aberkannt.

Die sozialen Nöte im Kontext des Verlustes der Schwerindustrie in gigantischer Dimension, das sind Kausalitäten mit verändernder Einwirkung auf Verhalten und Charakter betroffener Menschen, auf ihre Schicksale. Das ist ein Problem des Kapitalismus, nicht dieser "Ville Noir", nicht diesem "Dark Heart of Europe", einer Fiktion, entsprechend dem Zeitgeist.

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